Omnichannel und AI

Was ist für Retail-Unternehmen relevant?

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Worum geht es?

Zugegeben, Retail ist wirklich ein sehr weites Feld. In diesem Artikel wollen wir einmal die Verknüpfungen der verschiedenen Vertriebskanäle im Bereich Retail im Zuge eines Omnichannel-Ansatzes untersuchen. Wie kann Artificial Intelligence (AI) hier helfen oder gar zu ganz neuen Shoppingerlebnissen führen?

Nachdem unsere letzten Artikel Sie mit Grundlagen zu Artificial Intelligence und Machine Learning (ML) versorgt haben, wird es jetzt etwas praktischer. Und zum Anfassen. Denn wir schauen uns auch die praktische Anwendung von AI in Verbindung mit IoT an. Oft sind sogenannte „Smart Stores“ besonders relevant, wenn es um die Verknüpfung der On- und Offline-Welt im Einzelhandel geht – im Sinne einer ganzheitlichen Customer Journey.

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Unterschiedliche „Scopes“

Schauen wir zunächst einmal an, in welchen Bereichen AI im Retail eine Rolle spielen kann:

Online vs. physisch

Gerade wenn es um Omnichannel-Vertrieb geht, stellt sich natürlich die Frage, ob AI denn nun in erster Linie online oder in physischen Stores zum Einsatz kommen kann. Sie ahnen es schon: Sowohl als auch. Und mehr noch. AI kann helfen, die echte Welt und die und die digitale Welt zu verknüpfen. Das Stichwort lautet IoT – Internet of Things. Wenn auch AI und IoT nicht zwingend gekoppelt sein müssen, so sind sie doch „Best Friends“. IoT bietet nicht nur wunderbare Möglichkeiten, digitale Touchpoints in Stores oder auch im heimischen Wohnzimmer bereit zu stellen, vielmehr sind weitere Möglichkeiten für Retailer daran gekoppelt, wie zum Beispiel:

  • Durchgängige, individuelle Customer Journeys
  • Durchgängiges Tracking als Basis für Machine Learning und somit kontinuierliche Verbesserung – aber für wen? Sie ahnen es bereits.
  • Basis für Marktforschung
  • Individuelle Empfehlungen
  • Schaffung und Nutzung „digitaler Identitäten“, so können Kunden beispielsweise beim Betreten eines Stores erkannt werden und während des Einkaufsvorgangs individuell und automatisiert betreut werden.

Ihnen wird aufgefallen sein, dass nicht alle der genannten Punkte zwingend mit AI gekoppelt sein müssen. Jedoch bietet insbesondere das Sammeln von Daten auch wiederum Möglichkeiten, Machine Learning zu betreiben und auf dieser Datenbasis neue Erkenntnisse zu erzeugen. Die Spirale aus Datensammlung und Ableitung von Maßnahmen, die wiederum zur Erhebung neuer Daten führen, ist also endlos. Zurückkommend auf den Bereich IoT und Smart Stores bieten sich also hier mit immer neuen Daten auch neue Chancen, aber auch Risiken. Auf letztere kommen wir später zu sprechen.

Frontend vs. Backend

Zunächst stellt sich einmal die Frage, ob AI im Bereich des Frontends aktiv dazu betragen soll, beispielsweise eine Customer Experience zu verbessern. Hierbei ist ein echter Mehrwert essenziell. Zwar kann ein kreatives Gadget auch immer für Kundenaufmerksamkeit sorgen, jedoch dürfte diese eher von kurzer Dauer sein. Gelingt es jedoch, AI so einzusetzen, dass das Einkaufserlebnis dadurch nachhaltig verbessert wird und echte Mehrwerte entstehen, zeigt die Erfahrung, dass Angebote auch dauerhaft angenommen werden. Dabei ist für den Kunden zunächst einmal vollkommen egal, ob AI zum Einsatz kommt oder nicht – denn AI ist kein Selbstzweck.

Aber auch im Backend-Bereich, also für Kunden zunächst nicht sichtbar, kann AI wirken. Ob dies immer zum Wohl des Kunden geschieht ist eine andere Frage. Wenn es um Predictive Marketing, Profiling oder Dynamic Pricing geht, steht sicherlich oft das Interesse des jeweiligen Einzelhändlers im Vordergrund. Neben Datenschutzthemen sollten hierbei auch immer ethisch und moralische Grundsätze berücksichtigt werden.

Kundennutzen vs. Unternehmensnutzen

Die vorherigen Abschnitte haben bereits gezeigt: Die Nutzung on AI und ggf. IoT im Retail-Marketing kann ambivalent sein, was Vor- und Nachteile für Kunden und Einzelhändler angeht. Idealerweise gehen die Vorteile Hand-in-Hand.

Klar, manche Anwendungen sind rein auf die Unternehmensnutzung ausgelegt, wie z.B. AI-basierte Systeme, welche effiziente Lagerhaltung und bedarfsgerechte Nachbestellung ermöglichen. Bei anderen Features ist der Kundennutzen im Fokus, wie zum Beispiel bei einem „intelligenten Spiegel“, welcher AI-basiert Empfehlungen in der smarten Umkleidekabine macht.

Funktionen dieser Art bringen Nutzen auf unterschiedlichen Ebenen. Folgend einige Beispiele:

Kundennutzen, wenn die Funktion wirklich auf einen echten Mehrwert ausgerichtet ist:

  • Individuelle, passgenaue Empfehlungen
  • Keine Wartezeiten
  • Unkomplizierte Check-out-Prozeduren im Shop
  • Interessantes Shopping-Erlebnis durch Smart Shops
  • Optimale Integration von On- und Offline-Prozessen

Unternehmensnutzen:

  • Präzises Tracking und Analysen durch Datenerhebung an unterschiedlichsten Stellen
  • Datensammeln als Basis für kontinuierliches Machine Learning
  • Kundenbindung
  • Optimierung interner Prozesse durch AI, wie zum Beispiel:
    • Lagerhaltung und Logistik
    • Rationalisierung durch Automatisierung
    • Dynamic Pricing

Die integrierte Customer Journey

Klar ist, dass AI eine gute Basis für komplett integrierte Customer Journeys bildet. Gerade Retailunternehmen, die Omnichannel-Vertrieb betreiben, können so echte und wirklich individuelle Alleinstellungsmerkmale schaffen und sich gegenüber den ganz großen Playern am Markt (von „Am…“ bis „Za…“) abheben. Beispielsweise ein lokaler Bezug oder eine fachspezifische Gemeinschaft (Hobby, Sport, Special Interest) können hier sehr gut berücksichtigt werden.

Klar ist aber auch, dass AI hier nur ein Zahnrad im Getriebe ist, um basierend auf erhobenen Daten Entscheidungen zu treffen, Individualisierung zu optimieren oder einfach auch nur den Kunden positiv zu verblüffen.

Mehrwert und Risiko liegen aber gerade bei solch stark individualisierten Cutomer Journeys eng beieinander.

Ein Beispiel: Basierend auf Einkäufen in einem Smart Store ermittelt ein ML-Algorithmus interessante Angebote, die individuell auf diesen Kunden zugeschnitten sind.

Zunächst wurde Ihr Kunde beim Einkauf im Store identifiziert. Wie? Beispielsweise durch eine Smartphone-App, bei der Ihr Kunde vorab entsprechende Datenschutzfreigaben erteilt hat, so dass Sie ihn im Shop damit identifizieren können. Und mehr noch: Eventuell können Sie sogar seine gesamte „physische Customer Journey“ in Ihrem Shop ziemlich genau nachverfolgen. Eventuell nutzt Ihr Kunde die App auch zur Bezahlung in Ihrem Smart Shop. Für Sie als Retail-Unternehmen eigentlich zunächst wunderbar: Sie haben ziemlich viele Daten von Ihrem – und parallel von vielen weiteren – Kunden erfasst. Eine sehr gute Basis für Machine Learning, um eine tolle Customer Journey zu ermöglichen – und auch Themen wie Predictive Marketing zu ermöglichen.

Bei einer späteren Nutzung eines Voice Interfaces im Wohnzimmer berücksichtigen Sie diese ermittelten Erkenntnisse, indem beispielsweise entsprechende Empfehlungen in eine Antwort des Voice Interfaces integriert werden. Genau hierbei kann ein Retail-Unternehmen aber unter Umständen gar nicht wissen, ob ein Mehrwert erzeugt wird. Ist die entsprechende Information im jeweiligen Moment erwünscht? Nutzt vielleicht ein Familienmitglied unseres Käufers das Voice Interface mit? Liefern wir mit unserer AI an dieser Stelle unter Umständen unbewusst Informationen zu einem Überraschungsgeschenk and dieses Familienmitglied.

Sie sehen, der Kontext Einzelkunde/Haushalt ist hier auch hochrelevant. AI kann jedoch auch hier helfen, hochkomplexe Customer Journeys zu managen.

Vertrauen und Datenschutz

Das gilt nicht nur für Retail: Kundenbeziehungen basieren auf Vertrauen. Um dieses Vertrauen zu erlangen und aufrecht zu erhalten, ist es essenziell, eine Balance zwischen Kundenmehrwert, Marketing und auch Datenschutz zu erzielen. Wie bereits erwähnt: Zunächst ist AI kein Selbstzweck – und Ihren Kunden wird es im Regelfall egal sein, ob ein bestimmter Mehrwert – z.B. mehr Komfort beim Shoppingerlebnis – auf AI basiert oder nicht. Da zählt nur das Ergebnis. Dass dieses Ergebnis auf AI basiert, könnte im Zweifelsfall eher Vorbehalte erzeugen, da Kunden sich der Risiken, beispielsweise im Bereich Datenschutz, sehr wohl bewusst sind. Unser Kunde aus dem vorherigen Abschnitt würde uns vielleicht die Zustimmung zur Datenverarbeitung entziehen, nachdem unsere KI die Geburtstagsüberraschung an sein Familienmitglied ausgeplaudert hat. In einem unserer kommenden Artikel werden wir Herausforderungen bei AI und Datenschutz noch genauer betrachten.

Letztendlich: Es geht nicht um AI, sondern um Ihren Kunden

Kurzes Fazit: Artificial Intelligence bietet große Chancen für Retail, gerade in Verbindung mit IoT. Jedoch geht es Ihren Kunden nicht um die AI, sondern ausschließlich um den daraus entstehenden Mehrwert. Setzen Sie daher immer auf eine Strategie aus Sicht Ihrer Kunden. Das bedingt Marktforschung und ein solides Anforderungsmanagement. Eine Vorgehensweise basierend auf Buyer Personas kann hier helfen. Die Veränderungen können hier auch zu komplett neuen (ich vermeide hier die Ergänzung „disruptiven“) Geschäftsmodellen führen.

Setzen Sie bei der Umsetzung auf solides Projektmanagement, ggf. agil wo es passt, unter Einbeziehung relevanter Stakeholder, wie Marketingabteilung, Data Scientists, IT, On- und Offline-Verantwortliche, Datenschutzbeauftragte.

Weitere Infos zu AI und ML

Lesen Sie weitere Artikel zu Artificial Intelligence und Machine Learning in unserem Innovationsportal. Einige Artikel sind bereits in den letzten Wochen erschienen, andere werden in den kommenden Wochen veröffentlicht werden:

Vor welcher Herausforderung stehen Sie?

Haben Sie Fragen, oder möchten Sie weitere Details zu den vorgestellten Themen mit mir besprechen? Kontaktieren Sie mich jederzeit über unser Kontaktformular oder rufen Sie mich unter 04121 6460410 an. Von der Anforderungsanalyse bis hin zum Rollout unterstützt Sie die rb omnichannel GmbH gerne.

Herzliche Grüße

Ihr Roland Bühler